Lektion 3: Erweiterung

Lesen

Claudias Immigration

Claudia erzählt weiter von ihren Erfahrungen mit der Bürokratie in Österreich. 

Ich habe ein interessantes Beispiel von einer Auseinandersetzung mit einem Beamten; es ist passiert kurz nachdem ich nach Wien gekommen bin. Als Hintergrund: die erste Sprache, die ich gesprochen habe, war Deutsch, aber als wir nicht mehr in Deutschland waren, habe ich es nicht mehr sehr viel benutzt. Ich habe Arabisch oder Englisch gesprochen, aber ich habe mein Deutsch nicht völlig vergessen. Es war irgendwie immer noch in meinem Hinterkopf. Als ich nach Wien gekommen bin, habe ich einen dreimonatigen Sprachkurs gemacht, um es wieder aufzufrischen. Obwohl ich nicht lange in Österreich gewohnt hatte, konnte ich also ziemlich gut Deutsch sprechen. 

Ich war auf der Uni und hatte ein Studentenvisum; wir mussten nachweisen, dass wir eine Wohnung hatten. Bei der nächsten Verlängerung von meinem Visum habe ich auch meinen Mietvertrag verlängert. Ich bin hingegangen und habe alle Papiere abgegeben, darunter war auch mein neuer Mietvertrag. Sie haben mir gesagt, “Ach, das brauchen wir nicht. Wir haben schon einen” und ich habe geantwortet, “Nee, nee, das ist jetzt der neue Wohnvertrag und das brauchen Sie unbedingt.” Drei Wochen später habe ich einen Brief erhalten, “Kommen Sie bitte zur Ausländerbehörde.” Ich weiß, da dauert es mindestens drei Stunden. Ich habe ein Buch mitgenommen, habe angefangen zu lesen, und endlich haben Sie mich aufgerufen. 

Ich bin reingekommen und habe gesehen, wie der Beamte neben mir mit einem Mann spricht. Er wollte wissen, ob er seinen Reisepass bei sich hat, aber der Mann hat nicht verstanden. Er versucht mit Händen, Füßen, sämtlichen Sprachen, das zu tun, aber derjenige hat das nicht verstanden. Ich konnte nicht helfen, weil er nicht von einem arabischen Land war. Der Beamte hat dann geschrien und sagt, “Das gibt’s doch gar nicht! Er ist seit 25 Jahren da und kann nicht sagen, ob er den Reisepass bei sich hat!”

Der Beamte mit mir hat mich dann so angeschaut und sagt, “Ja… du… Platz nehmen. Sitzen.” Ich bin da gestanden und sage, “Aha, beim ersten Mal haben wir uns nicht geduzt.” Er hat mich angeschaut und ich habe ihn angeschaut und dann habe ich mich hingesetzt. Er sagt, “Ja, was du hier machen wollen.” In dieser Art hat er mit mir gesprochen! Ich weiß nicht, was mit ihm los ist. Ich sagte, “Sie haben mich eigentlich hierher eingeladen. Ich wollte nicht.” Dann ist er sich richtig gesessen und gesagt, “Und warum haben wir Sie hierher verlangt?” “Also auf einmal siezen wir uns. Ich dachte, es war ‘du,’” habe ich gesagt.” Er war dann wirklich rot und sagt, “Ja, wie soll ich es wissen?” Dann sagt er, “Der Mietvertrag ist nicht da.” Ich sage, “Der Mietvertrag ist da. Schauen Sie mal nach.” 

Dann schaut er in die Akte und sieht meinen Mietvertrag. Dann ist er aufgestanden und hat gesagt, “Gnädige Frau, es tut mir furchtbar leid.” Und ich sage, “Mein Herr, erstmal: Sie können nicht einfach annehmen, dass alle eben sein würden wie derjenige. Es ist Ihr Job als Beamter, mich herzlich zu begrüßen, ‘Hallo, Guten Tag’ zu sagen. Sie dürfen nicht duzen, bevor wir miteinander gesprochen haben. Und das nächste mal, bitte schauen Sie in die Akte, bevor Sie jemanden zu sich holen.” Er hat sich wirklich entschuldigt. Er war rot und gelb und konnte nicht aufhören, ‘tut mir leid’ zu sagen. Ich kann es nachvollziehen, ich kann es verstehen: da war jemand dort, der schon 25 Jahre dort gelebt hat und nicht verstehen konnte, ob er seinen Reisepass dabei hat. Ich glaube jetzt verändert sich das schon. Ich glaube nicht, dass die Beamten jetzt “du sitzen” sagen. Sie müssen nicht einfach alle in einen Topf werfen.



 

Arbeit mit dem Lesen

Fragen zum Text
  1. Wie würden Sie Claudias Erfahrung mit der Bürokratie in Österreich zusammenfassen?
  2. Was denken Sie, warum konnte der Mann, der so lange in Österreich gelebt hat, immer noch nicht viel Deutsch verstehen? Was könnte man dagegen machen?
  3. Wie reagiert Claudia auf die Unhöflichkeit des Beamten? Würden Sie auch so reagieren?
  4. Am Ende sagt Claudia, “Sie müssen nicht einfach alle in einen Topf werfen.” Was bedeutet das? Kennen Sie ähnliche Ausdrücke auf Deutsch oder in Ihrer Sprache?
Schreiben

Schreiben Sie Claudias Auseinandersetzung mit dem Beamter neu, so dass sie von dem Beamten höflich und respektvoll behandelt wird.



Hören

Flüchtlinge in Österreich

Magdalena unterrichtet Deutsch bei einer Sprachschule; sie arbeitet mit vielen Menschen aus Syrien oder Afghanistan, die Asyl in Österreich suchen. In diesem Interview beschreibt sie die Situation für diese Menschen in Österreich.

 

Arbeit mit dem Hören

Fragen
  1. Was erwarten Flüchtlinge von Europa und wie ist die Realität im Vergleich?
  2. Was sagt Magdalena über die Bürokratie und deren Einfluss auf das Leben von Schutzsuchenden in Österreich?
  3. Was sagt Magdalena über die Gewalt, Rassismus und Vorurteile, die Flüchtlinge in Österreich erfahren?
  4. Wie reagieren viele Einheimische auf Flüchtlinge? Was sagt Magdalena?


Strukturen

Passiv erkennen

Finden Sie die Verben im Passiv auf diesem Schild (Partizipien und Hilfsverben).



Schreiben

Das Asylverfahren beschreiben

Schauen Sie diese Graphik von der Bundeszentrale für politische Bildung an. Beschreiben Sie das Asylverfahren und benutzen Sie dabei Sätze im Passiv, wo es passend ist.

Schutzsuchende kommen in Deutschland an. Der Asylwunsch wird geäußert und dann werden Geflüchtete registriert. usw. 



Wortschatz

Nouns

die Akte, -n
die Anerkennung, -en
der Anschlag, -¨e
der Antrag, -¨e
das Asyl, -e
der/die Asylbewerber*in, -*innen
der/die Asylsuchende, -n
der Aufenthalt, -e
die Aufenthaltserlaubnis, -se
die Aufenthaltsgenehmigung, -en
die Auseinandersetzung, -en
die Auskunft, -¨e
die Ausländerbehörde, -n
die Ausstattung (Erstausstattung), -en
der Ausweis, -e
der Beamte, -n
die Beamtim, -innen
die Behörde, -n
der Bescheid, -e
die Bürokratie, -n
der/die Dolmetscher*in, -*innen
der/die Einheimische, -n
die Erstaufnahme, -n
das Feldbett, -en
der/die Geflüchtete, -n
die Gewalt, -en
der Hintergrund, -¨e
der Krieg, -e
der Kulturschock, -s
die Last, -en
der Lebenslauf, -¨e
das Mißverständnis, -se
der Schaffner, –
die Schaffnerin, -innen
der Schritt, -e
der/die Schutzsuchende, -n
der Spind, -e
die Sprachbarriere, -n
die Staatsangehörigkeit, -en
die Staatsbürgerschaft, -en
die Überzeugung, -en
das Verfahren, –
die Verfolgung, -en
die Verlängerung, -en
der Widerstand, -¨e
der Wohlstand
die Wurzel, -n
das Zelt, -e
die Zugehörigkeit, -en

 

Verbs

anbieten
anerkennen
aufgeben
aufschreiben
ausfüllen
beantragen
dauern
erhalten
erwarten
fungieren
integrieren
klagen
klauen
nachholen
nachvollziehen
nachweisen
verarbeiten
verlangen
verlassen
vermeiden
versprechen
vertreiben
verwalten

 

Adjectives and Adverbs

ansonsten
anständig
entmenschlicht
ewig
freiwillig
frustrierend
gesetzlich
gültig
sämtlich
verfolgt

 

Other Useful Words and Phrases

im selben Zug (auch: im selben Atemzug)
in Anspruch nehmen
in einen Topf werfen
in geregelten Bahnen
meines Erachtens/unseres Erachtens
Pech haben
ums Leben kommen
zack zack